Entstehung & Finanzierung

Wir sind Silke und Stefan, Eltern und gesetzliche Betreuer unseres autistischen Sohnes.
Wie alle Eltern, wollen auch wir nur das Beste für unsere Kinder: Gesundheit, Glück und Freiheit.

Früher dachten wir…

dass sich nach der Schule Wege auftun werden, auf die wir uns verlassen können.
Dann werden wir es geschafft haben, dachten wir. Wir werden tolle Menschen finden, eine wertschätzende Einrichtung, die unseren Sohn dann begleiten wird bis er ein alter Opa ist. Dort wird er glücklich sein und alles bekommen, was er braucht.

So unsere Gedanken damals. Aus heutiger Sicht naiv, aber auch verständlich, da es zunächst Kraft gibt, sich diesen Hoffnungen hinzugeben.

Was die Förderstätte angeht, die unser Sohn besuchen kann, ist es tatsächlich so, dass wir unglaubliches Glück haben mit der Einrichtung und den Menschen, die dort arbeiten. Er wird dort liebevoll begleitet, gefördert und wir erleben eine große Verlässlichkeit. Das ist außerordentlich und heutzutage leider nicht mehr selbstverständlich, das ist uns sehr bewusst.

Dann setzte Umdenken ein…

als wir immer häufiger Erfahrungen anderer Familien miterlebten, deren erwachsen gewordene Kinder nur kurzzeitig in einer Gruppen-Einrichtung wohnten oder denen nach mehreren Monaten und Jahren der Platz gekündigt wurde.
Aufgrund von Reizüberflutung und Personalmangel und in der Folge häufig herausfordernden Verhaltens und zu wenig Selbstbestimmungsmöglichkeiten, scheiterten die Heimunterbringungen.

Diese Schicksale, die wir sowohl in unseren beruflichen, als auch ehrenamtlichen Rollen im Bereich Autismus sahen, bewegten uns zum Umdenken.

Wir starteten unser Projekt…

und ließen von unserem ursprünglichen Plan ab, einen Wohnheimplatz zu suchen.
In enger Absprache mit unserem Sohn und unter Berücksichtigung seiner Wünsche und Bedürfnisse, sowie Gesprächen mit unserer Tochter begannen wir, eine selbstbestimmte Wohnform aufzubauen.

Wichtig für unser Wohnprojekt:

  • reizarme und gemütliche Umgebung
  • klare und verlässliche Strukturen
  • vertraute Assistentinnen und Assistenten
  • stufenweise Umsetzung (Start vor vier Jahren mit einer Übernachtung, inzwischen vier bis fünf Übernachtungen pro Woche)
  • Rückzugsmöglichkeiten
  • angemessener Betreuungsschlüssel
  • Möglichkeiten der sozialen und inklusiven Teilhabe
  • Selbständigkeit und Selbstbestimmung stärken
  • Anbindung an die Familie und ein natürliches, inklusives Umfeld

Unsere Motivation:

Oft bedauern Autistinnen, Autisten, Eltern und Angehörige, dass sie nicht gefragt werden und nicht mitgestalten können.

In der Variante, eine selbstbestimmte Wohnform über das Persönliche Budget aufzubauen, liegt nun genau diese Chance, eigene Vorstellungen umzusetzen und uns ganz eng an den Bedürfnissen unserer erwachsenen Kinder zu orientieren.

Das Bundesteilhabegesetz stellt die Selbstbestimmung von Menschen mit Behinderungen in den Fokus.
So viel Selbstbestimmung und Selbstgestaltung wie möglich – dabei ist es unerheblich, wie hoch der Betreuungs- und Unterstützungsbedarf ist.
Das Recht auf größtmögliche Selbstbestimmung hat jeder Mensch.

Daraus leiten sich dann viele weitere Details ab – unter anderem die Möglichkeit, eine selbstbestimmte Wohnform aufzubauen, etwa als Einzelwohnen, als selbst gegründete WG, inklusives Wohnen, generationenübergreifendes Wohnen und vieles mehr, der Kreativität sind hier keine Grenzen gesetzt.

Rechtliche Grundlagen

UN-Behindertenrechtskonvention (UN-BRK)

Die UN-BRK bekräftigt die Rechte von Menschen mit Behinderungen.

Weg von einer defizitär geprägten Haltung werden Menschen mit Behinderung als Bereicherung und Ausdruck menschlicher Vielfalt gesehen.

Darunter fallen Prinzipien wie Inklusion, Nicht-Diskriminierung, Selbstbestimmung, Partizipation, Teilhabe und Chancengleichheit.

Die UN-BRK ist seit 2009 geltendes Recht in Deutschland.
Die Umsetzung der UN-BRK wird in Deutschlang von der Monitoringstelle am „Deutschen Institut für Menschrechte e.V.“ überwacht.


Das Bundesteilhabegesetz (BTHG)

Das Bundesteilhabegesetz ist kein einzelnes Gesetz, sondern entwickelt die deutsche Rechtssprechung im Sinne der UN-BRK weiter.
Die Prinzipien der UN-BRK werden darin für das Deutsche Recht festgeschrieben.

Daraus begründet sich unter anderem auch der Anspruch auf die selbstbestimmte Entscheidung für oder gegen eine (vor)bestimmte Wohnform.

Die Perspektive auf Menschen mit Behinderung verändert sich mit dem BTHG.
Man achtet mehr auf Ressourcen als auf Defizite und strebt Assistenz statt Betreuung an.
Alles ist darauf ausgerichtet, statt Fremdbestimmung mehr Selbstbestimmung zu erreichen.


Bitte beachten:
Die rechtlichen Grundlagen sind hier sehr knapp vorgestellt. Sie sollen lediglich dazu beitragen, dass Familien einen Eindruck der Möglichkeiten bekommen und sich dann selbständig weiter informieren und ggf. rechtlich beraten lassen.

Eingliederungshilfe als eigenständiges Leistungsgesetz

Damit ist die Eingliederungshilfe keine Leistung der Sozialhilfe mehr.

Insbesondere ist das Wunsch- und Wahlrecht der behinderten Person zu berücksichtigen, v.a. wenn es alternative Möglichkeiten der Leistungen gibt.

Damit ergibt sich ein wichtiges Argument in Bezug auf die Wahl der Wohnform und damit auf die Leistungen der Eingliederungshilfe.


Das Persönliche Budget

fördert die Selbstbestimmung von Menschen mit Behinderung. Diese werden damit zum eigenverantwortlichen Einkäufer von Leistungen. 

Durch die Inanspruchnahme eines Persönlichen Budgets wird es möglich, selbstbestimmt Leistungen zur Teilhabe, also zum Beispiel Assistenzleistungen, zu organisieren. Assistentinnen und Assistenten können z.B. selbst eingestellt werden.

Wichtig:
Das Persönliche Budget kann in verschiedenen Varianten in Anspruch genommen werden. Um sich dafür oder dagegen zu entscheiden, bedarf es weiterer Informationen.

So haben wir es gemacht:

Die bisherigen Informationen geben einen kleinen Einblick in die Grundlagen, mit denen wir uns beschäftigten.
Keine Angst vor der Umsetzung, es gibt Möglichkeiten, sich Unterstützung zu holen und sich z.B. auch mit anderen Familien zusammenzuschließen.

  • Bedürfnisse unseres Sohnes festgehalten
  • rechtliche Grundlagen recherchiert
  • geeignete Immobilie gesichtet
  • Konzept mit Stufenplan erstellt
  • Gesamtplanverfahren beim Bezirk gestartet (Antrag, Budgetkonferenz, Zielvereinbarung, Bescheid)
  • Assistentinnen und Assistenten gesucht und eingestellt

Diese Schritte liefen zum Teil parallel, die einzelnen Meilensteine hat man dabei zeitgleich im Blick.

Wir möchten Mut machen:

Aus unserer Sicht lohnt es sich, diese Schritte zu gehen, auch wenn sich hin und wieder Hürden auftun und jedes Projekt individuell verschieden ist.

Es zeigt sich immer wieder, dass es unverzichtbar ist, seine Rechte gut zu kennen, um mit dem Kostenträger die Ausgestaltung zu besprechen und in Verhandlungen auf Augenhöhe zu treten. Wir stoßen beim Bezirk Oberfranken bisher auf einen sehr wohlwollenden und wertschätzenden Umgang.

Auch die Vernetzung mit anderen Familien, die sich immer häufiger auf diesen selbstbestimmten Weg begeben, ist absolut lohnend.
Deshalb sind wir mit unserem Projekt auch Mitglied bei WOHN:SINN – Bündnis für inklusives Wohnen e.V.

Am Ende stehen mehr Selbstgestaltung und Selbstbestimmung, mehr Lebensqualität für alle Beteiligten: unseren Sohn, die AssistentInnen und für uns als Familie.



INWIN wird weiter wachsen

denn wir haben noch Visionen und Ideen
und geben unsere Erfahrungen gerne weiter.